Daube Mordfall Helmut
Der 19-jährige Abiturient Helmut Adolf Daube wurde am Donnerstag, dem 22. März 1928, in Gladbeck ermordet. Die Tat ist bis heute nicht aufgeklärt. Helmut Daube stammte aus einer Lehrerfamilie. Er
war der einzige Sohn des Rektors der Gladbecker Lutherschule. Um zwei Uhr in der Früh verließ er angetrunken mit mehreren Jugendlichen ein Anwerbungstreffen von Burschenschaftern im Hotel zur
Post in Buer. Nachdem die Bekannten nach und nach abzweigten, marschierte er nur mehr mit seinem Schulfreund Karl Hußmann (* 1908) nach Hause. Zirka um halb vier Uhr schnitt ihm jemand unweit
seines elterlichen Hauses in der Schultenstraße 11 mit einem Messer den Hals durch. Anschließend zog man ihm die Hose herunter und schnitt seine Genitalien mit der umliegenden Haut aus der
Leiche. Sie wurden nie gefunden.
Sein Vater, Rektor Adolf Daube, und seine Mutter wurden durch zwei Hilferufe wach. Der Vater fand das Bett seines Sohnes unberührt, die Mutter meinte, dass ihr Sohn gerufen hätte, aber der Vater
beruhigte sie und wähnte seinen Sohn in guter Gesellschaft. Der im selben Haus wohnende Rektor Deese wurde ebenfalls durch Hilfeschreie geweckt, sah aus einem Schlafzimmerfenster, wie sich eine
große kniende Gestalt erhob, die Straße überquerte und auf der unbeleuchteten Seite davoneilte. Er hielt ihn für einen Betrunkenen aus der gegenüberliegenden Kneipe. Vor dem Schichtwechsel im
Kohlebergwerk kam um halb fünf der Pförtner Fritz Bauer mit seinem Sohn auf dem Weg zur Arbeit am Tatort vorbei. An der Ecke Gonheide / Schultenstraße bemerkte er die am Boden liegende Person,
wollte den vermeintlich Betrunkenen zum Aufstehen bewegen und bemerkte dabei das Geschehen. Sein Sohn holte den in der Schultenstraße 9 wohnenden Arzt Dr. Lutter, der ca. fünf Minuten später den
Tod bestätigte. Bauer weckte die Eltern und nach anfänglichen Zweifeln erkannten diese im Mordopfer ihren Sohn. Nach 50 Minuten erschien die Polizei am Tatort, später auch die Mordkommission,
welche Fotos machte. Ein Spürhund brachte keinen Erfolg, auch die im Umfeld des Tatorts stattfindende Suche nach den Genitalien blieb erfolglos.
Später wurde Karl Hußmann zum Tatort gebracht. Er meinte, dass es möglicherweise seine Schuld sei, da er seinen Freund nicht bis nach Hause begleitet habe. Man bemerkte auf seinen Schuhen und
später auch an seinem Mantel Blut, von dem er behauptete, es sei von einer Katze. In seinem Arbeitszimmer fand man eine Aktentasche mit einem leeren Messer-Etui, das dazugehörige Messer wollte er
ein paar Tage zuvor auf einer „Diebesjagd“ verloren haben. Hußmann wurde festgenommen, aber im Laufe des Tages auf Geheiß der Staatsanwaltschaft wieder auf freien Fuß gesetzt. Der Aufsehen
erregende Mord war sogleich Tagesgespräch im Ort und einen Tag später national und international in den Schlagzeilen. Antisemitische Zeitungen wie das regionale NSDAP-Blatt Westdeutscher
Beobachter oder der landesweit erscheinende Stürmer behaupteten, es handele sich um einen von Juden verübten Ritualmord. Aus dem Polizeibericht wurde erwähnt, dass der Halsschnitt „kunstgerecht“
durchgeführt worden war, was zu Umsatzeinbußen bei den örtlichen Metzgern führte. Da Selbstmorde mittels Halsschnittes öfter vorkamen, wurde auch dieser Möglichkeit nachgegangen.
Am Montag, dem 26. März 1928, wurde Helmut Daube unter „riesiger Beteiligung“ im Rondell des Gladbecker Zentralfriedhofes in der Gruft Nr. 26 D beigesetzt. Die Polizei sprach inzwischen offen von
einem Sexualverbrechen. Am nächsten Tag wurde Hußmann abermals verhaftet. Wieder einen Tag später durchsuchte die Polizei den Garten von Hußmanns Pflegevater – Rektor Kleiböhmer – nach dem
Messer, wurde aber nicht fündig. Am Samstag, dem 31. März 1928, gab der Pflegevater seinem Gärtner eine von Hußmann angefertigte Skizze, auf der der mögliche Fundort des bei der „Diebesjagd“
verlorenen Messers eingezeichnet war. Der Gärtner stach an der entsprechenden Stelle den Rasen aus und wurde fündig. Inzwischen forderte der Essener Staatsanwalt Rosenbaum telegrafisch
Spezialisten von der Berliner Mordkommission an, was zuletzt 20 Jahre zuvor geschehen war.
Bei der Befragung durch den Berliner Kommissar Ludwig Werneburg konzentrierte man sich auf den Lebenslauf und die „moralischen Qualitäten“ des Jungen, denn in seinem Bücherregal wurde ein Buch
des umstrittenen Sexualforschers Magnus Hirschfeld gefunden. Das Verhör führte aber nicht zu neuen Erkenntnissen. Chemische Untersuchungen ergaben, dass das gefundene Messer nicht die Tatwaffe
sein konnte und aufgrund der starken Rostflecken schon lange vor der Mordnacht in der Erde gelegen haben musste. Bei der Leiche gefundene Haare stammten nicht von Hußmann, sondern möglicherweise
von der Decke, mit der Daube zugedeckt wurde. Am 3. April wurde Hußmann nach Essen überführt und am 13. April musste der Polizeipräsident eine Pressekonferenz geben, nachdem etliche nationale wie
internationale Zeitungen der Polizei Versagen vorgeworfen hatten.
Vermutlich hatte Helmut Daube homosexuelle Kontakte. Wer aber sein Mörder war, wurde nicht mit Sicherheit geklärt. Sein Freund Karl Hußmann wurde freigesprochen. „In der Urteilsverkündung machte
der Richter unmißverständlich klar, daß es nicht in erster Linie um die Erforschung dessen ging, was sich in der Mordnacht tatsächlich ereignete: Es ging vielmehr um die Frage, ob Karl Hußmann
nun schwul war – oder nicht. Hätten die Gutachter hier ein klares Urteil fällen können, es wäre sicherlich auch das Urteil über die Frage nach der Täterschaft gewesen. Denn schwul, das war damals
– und ist es in vielen Köpfen heute noch – gleichbedeutend mit kriminell und böse.“ – Franz Wegener: INTRO-Recherche: Der Daube-Mord 1928. Hirschfeld kritisierte, dass man sich auf die
Homosexualität konzentrierte, was für die Tat nicht von Belang sei. Dagegen habe man Nachforschungen in Richtung psychisch gestörter Serienmörder vernachlässigt.